Interview mit Dr. Rieder

Sie sind Stiftungsgründer der Jugendsozialstiftung der Familie Dr. Rieder (JSS) – Grund für einen Rückblick auf die Ursprünge dieser Stiftung  und auf die bisherigen Erfahrungen, sowie Sie persönlich vorzustellen.

Wie kam es zur Gründung der JSS Ende 2008?

Rieder: Mit dem Ende meiner 24 jährigen Amtszeit als Gröbenzeller Bürgermeister ( 1980 – 2004) und als Mitglied des Kreistages Fürstenfeldbruck ( 1984 – 2002) hat sich für unsere Familie viel verändert, zumal gerade zu dieser Zeit der letzte unserer Kinder studienbedingt Gröbenzell verließ. Meine Frau und ich wollten im privaten Bereich jetzt vieles von dem nachholen, was vorher  nicht möglich war. Andererseits wollten wir uns ehrenamtlich im sozialen Bereich vor Ort engagieren – als Dank für erfüllte Lebensjahre und dafür, dass wir in Gröbenzell seit 1973 eine liebenswerte Heimat gefunden haben und hier unsere drei Buben aufwachsen konnten. Meine Krebserkrankung Ende 2005 änderte unsere persönlichen Pläne völlig. Es war dann nach einiger Zeit die Idee meiner Frau, eine Stiftung für Kinder und Jugendliche in sozialer Not zu gründen.

Warum gerade eine Familienstiftung? 

Rieder: Unsere Kinder haben das soziale Engagement im Rahmen einer Stiftung von Anfang an begrüßt und unterstützt. Deswegen haben sie die Stiftung auch mitbegründet. Derzeit ist unser Sohn Sebastian neben mir Mitglied des Stiftungskuratoriums, meine Frau war sechs Jahre lang meine Stellvertreterin. Wir haben die Rechtsform einer Stiftung gewählt, da sie auf Dauer angelegt ist, über den Tod der Gründungsstifter hinaus.

Warum haben Sie als Stiftungszweck die Förderung sozialschwacher Kinder und Jugendliche festgelegt?

Rieder: Wir haben mit drei Kindern die üblichen elterlichen Erfahrungen gesammelt. Wir wissen, was Kinder brauchen, um an Leib und Seele gesund aufzuwachsen. Wir wissen aber auch, dass in unserer unmittelbaren Nähe Kinder und Jugendliche unserer Hilfe bedürfen. Wir versuchen, unter dem Motto: „Jungen Menschen eine Chance geben“ zu helfen.

Welche Rolle spielt hierbei Ihre Biographie?

Rieder: Meine Frau und ich wurden in unserem Elternhaus christlich geprägt. Auch meine neunjährige Gymnasialzeit in einem humanistischen Gymnasium der Jesuiten hat meine soziale Einstellung zusätzlich beeinflusst. Als wir 1973 nach Gröbenzell zogen, engagierte ich mich – vor meiner Wahl zum Bürgermeister 1980 – als Mitglied des Pfarrgemeinderates in der Jugendarbeit und im Vorstand des Ökumenischen Sozialdienstes. Als Bürgermeister war ich dann täglich mit sozialen Fragen befasst. Einer meiner Schwerpunkte in diesen 24 Jahren war, Gröbenzell als Vorzeigegemeinde für Kinder- und Familienfreundlichkeit mit zu prägen. So konnte in meiner Amtszeit in diesem Bereich  Einiges bewegt werden, u.a. sieben Kindergärten, ein Kinderhort und die erste gemeindliche Kinderkrippe im Landkreis. Dazu eines der letzten Gymnasien in Bayern und die Waldorfschule, ein neues Jugendzentrum und sieben neue Kinderspielplätze.

Warum konzentriert sich die Stiftung  auf die Förderung im Landkreis Fürstenfeldbruck?

Rieder: Wir wissen von der sozialen Not von Familien mit Kindern in unserer unmittelbaren Umgebung und sehen hier eine Alternative zu den ebenfalls segensreichen, weltweiten Spendenaktionen.

Wie erfahren Sie von Kindern und Jugendlichen, die Ihrer Hilfe bedürfen? 

Rieder: Meist bekommen wir Hinweise von Nachbarn, Bekannten, Schulen oder sozialen Einrichtungen. Die Hilfe der ganzen Bevölkerung ist für eine erfolgreiche Stiftungsarbeit weiterhin unerlässlich. Bei sozialen Kinder- und Jugendprojekten kommen vor allem die Schulen und Kindereinrichtungen auf die Stiftung zu.

Prüfen Sie in jedem Einzelfall konkret die Voraussetzungen einer Förderung? 

Rieder: Da jede Förderung immer einen sozialen Bezugspunkt haben muss, prüfen die Kuratoriumsmitglieder im Detail mit großem zeitlichen Aufwand jeden einzelnen Antrag. Das beginnt in der Regel mit einem persönlichen Besuch in der Familie und setzt sich in der Prüfung aller vorzulegenden Unterlagen fort. Wir prüfen auch, neben der jeweiligen Dringlichkeit des Förderantrages, ob anderweitig Fördermittel zur Verfügung stehen.

Wie kommt die Stiftung zu den Geldern, die sie treuhänderisch an die Betroffenen weitergibt? 

Rieder: Wir sind den weit über 3.400 Spendern und Zustiftern sowie den vielen Vereinen und Gruppierungen dankbar, die bisher 1.056.284 € (Stand 01.01.2021 ) der Stiftung zugewendet haben. Ebenso den zahlreichen Zeitspendern. Besonders haben wir uns über eine testamentarische Zuwendung in Höhe von 150.000 € gefreut.

In der Gesamtfördersumme von 1.056.284 € sind 359.013 € als gebundenes Stiftungskapital für die Erfüllung der nachhaltigen Aufgaben der Stiftung enthalten. Die Erträge aus diesem Grundstock dienen unseren Förderungszielen. Der Grundstock selbst bleibt unangetastet.

Wir sind auch ein wenig stolz, dass wir in so kurzer Zeit bis zum 31.12.2020 392.897 € an Fördermitteln an Kinder und Jugendliche in 13 der 23 Landkreisgemeinden weitergeben konnten.

So stehen uns zum 01.01.2021 – einschließlich der Kapitalerträge -insgesamt Fördermittel in Höhe von 362.400 € zur Verfügung. Auf dieser soliden finanziellen Basis können wir weiterhin wie bisher jeden förderwürdigen Antrag unterstützen.

Eine Erweiterung unseres Stiftungszweckes und die personelle Verstärkung zum 01.01.2015 ermöglicht uns, durch neue Aktivitäten die nächsten Jahre jeweils zwischen 50.000 € und 70.000 € treuhänderisch weiterzugeben.

Ich wünsche der Stiftung und allen, die mitwirken, weiterhin viel Erfolg und Freude bei der Arbeit für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche in unserem Landkreis Fürstenfeldbruck.

Lebenslauf Dr. Rieder

1984

Wahl in den Kreistag FFB ( 1984 – 2002).

1980

Wahl zum 1. Bürgermeister in Gröbenzell (1980 – 2004).

1973

Zuzug nach Gröbenzell. Ehrenamtliches Engagement im sozialen- und Jugendbereich.

1972

Eintritt in den öffentlichen Staatsdienst, zuletzt als Regierungsdirektor im Bayer. Staatsministerium für Kultus.

Heirat. Heute haben wir drei Kinder und drei Enkelkinder.

1971

2. Juristisches Staatsexamen.

1969

Juristische Dissertation zum Dr. iur über das Thema „Zensurverbot“ an der Universität München.

1967

1. Juristisches Staatsexamen an der Universität München.

1962 - 1966

Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten München und Paris (Sorbonne).

1962

Neun Jahre humanistisches Jesuitengymnasium St. Blasien mit Abitur.

1943

Mit Pfälzer Wurzeln kriegsbedingt in Baden Württemberg geboren.